Oskar Lafontaine

Veröffentlicht auf von lauti

Der verlorene Sohn der SPD

Oskar Lafontaine, der ewige Rebell

Eine Betrachtung des Abtrünnigen durch einen langjährigen Zeitzeugen

 

„Koch muss weg!“ – niemand in der SPD hat etwas gegen das hessische Projekt des jetzigen Parteivorsitzenden der Linkspartei, des früheren SPD-Oberbürgermeisters von Saarbrücken, des früheren SPD-Bundesparteivorsitzenden und SPD-Kurzzeitfinanzministers. Wer ihn wie ich vom Anbeginn seiner politischen Karriere an, davon in den ersten Jahren  auch aus persönlicher Nähe erlebt und später mit bestimmten Fragestellungen beobachtet hat, wird sagen: er ist sich in all diesen Jahrzehnten treu geblieben oder: er hat sich nicht sehr verändert.

 

Den ersten Wahlkampf in Saarbrücken führte er mit dem Motto: „Mir nusse se*!“ Durch seine Politikerlaufbahn zieht sich der rote Faden, Politik nur für jene zu machen, von denen er bei realistischer Einschätzung mit guten Chancen hoffen konnte, gewählt zu werden. Damit war er sehr erfolgreich. Natürlich kann man als SPD-Minister oder gar SPD-Kanzler auch Politik für jene Gruppen machen, von denen man sicher annehmen kann, dass sie alles lieber tun werden als SPD oder links zu wählen: lieber tot als rot. 

 

Oskar Lafontaine, in diesem Sinn ein „Populist“,  hat nie jemanden über sich geduldet. Dies ist eine der Ursachen für das vorhersehbare Zerwürfnis der beiden „Männerfreunde“ Schröder und Lafontaine. Damals musste Kohl weg; dieses Projekt – die Machtübernahme im Bund durch SPD und Grüne -erwies sich wie so vieles andere aus der Retroperspektive als ambivalent. Beide Enkel von Willi Brandt wurden ihrer Verantwortung für ihre Partei nicht gerecht. Die heutige Lage der SPD ist die Folge ihres persönlichen Machtkampfes. Beide haben sich damit nicht mit Ruhm bekleckert. 

 

Lafontaine ist nicht nur ein „Populist“, er ist auch ein ichbezogener Karrierist,  zorniger Rebell, ewig Suchender,  ein scharfzüngiger Debatter und Redner ---und immer für sich selbst die größte Chance gewesen. Damit bringt er von seinem Grundcharakter alles mit, politisch erfolgreich zu sein. 

 

Lafontaine hat seinen Vater im Krieg verloren. Vaterlos groß gewordene Männer sind, meist ohne sich dessen bewusst zu werden, zeitlebens auf der Suche nach dem nicht gekannten Vater. Dieser Hintergrund disponiert zu überdurchschnittlicher Treulosigkeit – übrigens auch in der Form von Frauengeschichten inclusive (Rotlicht-)Affären.  Sie verwechseln ihre Sehnsucht nach dem toten Vater mit der nach einer Frau, die sie lieben können.

 

Lafontaine ist im Saarland im Gegensatz zum Bund überaus populär. Für die Saarländer ist er „de Oskar“. Er ist so populär, dass ein schöner Witz seine ihm eigene Humorlosigkeit – die des „Wadenbeißers“ (ähnlich wie der blendende Debatter Westerwelle) – und den „typischen“ Saarländer aufs Korn nimmt: Er hat ein gutes Herz und ist fürs Kleine und Bescheidene.

 

Dieser Witz geht so:

 

In den achtziger Jahren – Oskar war Oberbürgermeister in Saarbrücken mit Sitz im Bundesvorstand der SPD – griff er, um von sich reden zu machen im stil von Franz-Josef Strauß seinen Männerfreund Kohl -  öffentlich Helmut Schmidt wegen dessen Haltung zum NATO-Doppelbeschluss an. Er kritisierte Schmidts „Sekundärtugenden“; dazu gehören bekanntlich Charaktereigenschaften wie Prinzipientreue, Ausdauer und Fleiß, die ihn – Oskar - selber nicht unbedingt auszeichnen. Auf dem Weg nach Bonn in die SPD-Baracke zu einer Vorstandssitzung der Bundespartei packte ihn das schlechte Gewissen wegen dieser unsachlichen Kritik; er würde Helmut Schmidt in die Augen sehen müssen, der damals stellvertretender Bundesvorsitzender und Kanzler war. Oskar ließ seinen Fahrer auf der Suche nach Argumenten gegen den NATO-Doppelbeschluss* vor einem saarländischen Bergmannshäuschen anhalten. Er wollte einmal hören, was die Saarländer zu dieser Frage meinten. Er klingelte und es öffnete ihm eine  saarländische Hausfrau mit Kochschürze, die gerade Grumbierkischelscher** machte.

Oskar stellte sich vor: „Ich bin Oskar Lafontaine, der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Saarbrücken und auf dem Weg nach Bonn. Dort treffe ich den Bundeskanzler. Ich habe nur eine einzige Frage an Sie: „Was halten Sie von Atombomben?“

Die Bergmannsfrau musterte ihn scharf und sagte: „Moment, da muss ich meinen Mann fragen“. Oskar wartet, die Frau kommt zurück, mustert ihn von unten nach oben, schaut  ihm streng in die Augen und sagt: „Ei jo, mir kaafe äni, awwer nur e kläni.“ ***

 

Oskar hat eine große Überzeugungskraft, den Menschen alles zu verkaufen, wenn es ein muss, Atombomben,  was er für richtig hält. Für die nächste Zukunft unserer Partei dürfte es wichtig sein, Oskar so zu sehen, wie er ist – und sich seine Talente nutzbar zu machen und mal über ihn zu lachen,  anstatt ihn zu verteufeln. Er kann ja nicht anders sein als Oskar Lafontaine geworden ist. Und, niemals vergessen: er will, wie alle verlorenen Söhne, wieder heim – wenn auch über den Umweg eines rot-roten Bündnisses.

 

Friedrich Lautemann

 

Der Verfasser, mit Unterbrechung SPD-Mitglied seit 1966, ist ein gelernter Rechtsanwalt und Schriftsteller. Er ist u. a. der Autor von Spielkasino Liebe (ein Roman über das Abenteuer Partnersuche), mehrerer Essays und Denkschriften für die Politik und zahlreicher Limericks.

 

*       Wir nussen sie: geben dem politischen Gegner Kopfnüsse

**    die Entscheidung, cruises missiles aufzustellen, wenn die Russen         ihre auf Westeuropa gerichteten Atomraketen nicht abziehen

***    Kartoffelpfannkuchen

****  “Ja, ja, wir kaufen eine, aber nur eine kleine“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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